Narrenmutter

Die ehrenvolle Aufgabe der Narrenmutter durfte zur Fasnacht 2014 Gaby Böhler auf Lebenszeit übernehmen.
Zuvor waren drei weitere Frauen in diesem Amt.

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Gaby Böhler

Narrenmutter seit 2014 – auf Lebenszeit

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Ruth Kehl

Narrenmutter 1960 – 2013

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Frieda Feederle

Narrenmutter 1956 – 1959

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Elisabeth Fröhlich

Narrenmutter 1953 – 1955

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Ruth Kehl –

Ein Leben mit den Narren für die Fasnacht

Meine erste Begegnung mit den Stühlinger Narren erlebte ich als Kind vor dem Krieg. Damals durften wir Schulkinder, angeführt vom Städtlenarr Franz Schölderle, am Schmutzige Dunschdig vom Städtle ins Dorf ziehen und mußten vor den Geschäften Narrensprüche, soge­nannte Heischeverse, aufsagen. Einer von vielen Heischeversen hieß:

»Giezig, giezig, giezig isch de seil und wenn de seil nit giezig war, no gab er au en Wecke (oder ä Gutsele) her, giezig, giezig, giezig isch de seil«.

Die Geschäftsleute kamen dann auf die Straße und warfen uns Gutsele zu. Beim Auflesen gab es oft ein Gerangel, denn damals waren die Gutsele für uns Kinder etwas ganz Besonderes. Ein schönes Kindheitserlebnis war der Kinderball im Gasthaus Rebstock. Damals war im zweiten Stock ein gro­ßer Saal. Alle Kinder waren kostümiert, es spielte eine Musikkapelle und es gab rote Limonade zu trinken. Nach dem Krieg und der Wäh­rungsreform trafen sich Stühlinger Handwerker am 11. 11. 1948 in der »Germania« (heute Cafe Bruder), um die Stühlinger Fasnacht wieder neu zu beleben. Als 18jähriges Mädchen durfte ich meinen Vater begleiten. Hansi Kör­ber war der Initiator der ersten Fasnacht im Jahre 1949. Er organisierte einen kleinen Umzug und in einer Kutsche durfte ich als Prinzessin zusammen mit. Als Anfang der 50er Jahre die Trommlergarde gegründet wurde, war ich natürlich voller Eifer bei der Sache, und es macht uns allen riesigen Spaß, zusammen mit der Stadtmusik an vielen Umzügen und Werbefahrten teilzuneh­men.

Mein erstes Narrentreffen war das Hochrhein-Narrentreffen 1954 in Lau­fenburg. Wir Trommlermädchen mit unserem Tambour Thekla Kantoni (Gohl) führten die Stühlinger Narren an. Eine Besonderheit war damals wie heute, daß der Umzugsweg über die Grenze in die Schweiz führte. So konn­ten wir die billigen Schweizer Zigaretten einkaufen. In den 50er Jahren erlebte die Fas­nacht einen enormen Aufschwung. Ich erinnere mich gerne an die schönen Bälle im Hotel Post, wo Hansi Körber mit viel Können die Säle dekorierte. Unvergessen auch der Kehrausball im Gasthaus Krone, wo Paul Schwengle jedes Jahr punkt 24.00 Uhr seine heißgeliebte Frieda (ei­ne Stoffpuppe) die Kellertreppe hinun­terwarf. Ungezähl­te frohe Stunden erlebten wir mit unserer Mutter Willin. Sie konnte mit ihrem trocke­nen Humor ganze Tischreihen unter­halten.

Im Jahre 1960 wurde ich von Paul Maier zur Narrenmutter ernannt und stand ihm aktiv zur Seite. Wir organisierten die Fasnacht, vor al­lem den Preismaskenball. Im Jahre 1963 formierte sich die Röllimusik, die ich zusammen mit meiner Mut­ter und Schwester Bertel über 30 Jahre an je­dem Fasnet-Mendig in meiner Küche mit Zopf und Getränken bewirtete. Seit Gründung der Narrenwecker im Jahre 1970 sind diese Närrinnen und Narren am Schmutzige Dunschdig mor­gens meine Gäste zum zweiten Früh­stück.

Zusammen mit Zunftmeister Fritz Kaiser knüpften wir Kon­takte mit Zünften aus nah und fern. So auch mit dem FAKOWI aus Winterthur und hier besonders mit Eh­renpräsident Hansi Körber. Mit Begei­sterung nahmen wir dort 1971 zum ersten Mal am gro­ßen Umzug nach der Fasnacht teil. Viele Freundschaf­ten habe ich in Winterthur ge­schlossen, so mit den Lindberghe­xen, der NZ Veit­heim, den Winterthurer Stadttambouren und ganz be­sonders mit dem Fanfarenzug Nieder­burg aus Konstanz und ihrem damali­gen Leiter Werner Breyer. Unvergessen ist auch meine lang­jährige Freundschaft mit dem Elferrat der Stadt Laufenburg mit ihrem frühe­ren Präsidenten Carli Lang. Freund­schaftliche Bande schloß ich mit den Hochrhein-Narrenzünften sowie mit der NZ Engen, der NZ Haslach und ganz be­sonders mit den Gästen aus Luxem­burg, die seit Jahrzehnten immer im Gasthaus Rebstock weilen. Hier insbe­sondere mit Ernest Renelt und dem Busunternehmer Alfons van Definit.

Im Jahre 1979 fuhr ich mit dem neuen Zunftmeister Alois Klingele und Arnfried Winterhalder nach Hohentengen, um mit anderen Narren über die Gründung der Narrenvereini­gung Kleggau zu beraten. In Erzingen fand die Gründungsversammlung statt und ich wurde zur Kanzellarin bestellt. Die Geschäftsstelle wurde bei mir ein­gerichtet.

Viel Arbeit hatte ich mit der Organi­sation unseres Narrentreffens im Jahre 1981. Unter der Regie von Zunftmeister Peter Waldkircher und mit Unterstüt­zung aller Narren haben wir einen vol­len Erfolg erzielt. Es war eine harte Zeit, denn wir mußten uns auch gegen ver­suchte Veränderungen unseres Fas­nachtsablaufes erwehren. Das Traditio­nelle hat gesiegt, worüber ich sehr glücklich bin. Gerne habe ich mitgeholfen, im Dachgeschoß der alten Schule unsere Zunftstube herzurichten. Viele Narren waren daran beteiligt, um aus dem ehe­maligen Speicher unter der Leitung von Paul Maier ein Schmuckstück entstehen zu lassen, an dem Generationen nach uns noch Freude haben werden.

Seit 1981 nehme ich aufgrund mei­ner Mitarbeit in der Narrenvereinigung Kleggau regelmäßig am Narrenempfang des Regierungspräsidenten in Freiburg teil, ebenso am Empfang bei Herrn Ministerpräsident Erwin Teufel in der

Villa Reitzenstein, Stuttgart. Dies sind willkommene Gelegenheiten, alte Nar­renfreundschaften zu pflegen. Als erste Närrin erhielt ich den „Basler Hof Orden“ von Regierungspräsident Sven von Ungern-Sternberg überreicht.

Ein Höhepunkt in meiner Amtszeit war der Besuch der Stühlinger Narren in unserer französischen Partnerstadt Belleme im Jahre 1987.100 Hästräger aus allen Ortsteilen waren mit dabei und wir feierten dort zwei Tage Fas­nacht. Im Jahre 1992, 1997 und 2002 konnte ich dieses Er­eignis unter der Leitung von Arnfried Winterhalder wiederholen.

Ein schwerer Schritt war 1988 die Niederlegung meines Amtes als Kassier­in. Doch jede Ära geht einmal zu Ende. Meine Verabschiedung wurde von der Narrenzunft in einem sehr netten Rah­men in unserer Zunftstube vorgenom­men und ich wurde zum ersten Ehren­mitglied der Narrenzunft »Hungrige Stühlinger« ernannt, was mich ganz be­sonders freute und auch ehrte. Vom da­maligen Präsidenten der Narrenvereini­gung Kleggau, Hermann Abert, wurde ich mit dem Verdienstorden in Silber ausgezeichnet.

Auch das Amt der Narrenmutter wollte ich an diesem Tage abgeben. Dies wurde von meinen Narren abgelehnt und es war besonders Arnfried Winterhalder, der mir sagte, daß es für ihn nur eine Narrenmutter gäbe – eben mich. So bin ich Narrenmutter geblieben, jedoch ohne Rechte und Pflichten. Ich bin es auch gerne, denn unter dieser Bezeichnung bin ich nun im Narrenkreise in meiner engeren Heimat und weit da­rüber hinaus bekannt.

Diesen Bericht verfasste Ruth Kehl im Jahre 1996 für unser Narrenbüchle.

Mit den Spätlese-Narren feierte Ruth bis zur Fasnacht 2011 immer noch kräftig mit. Im Pflegeheim Brunnenwiesen verbrachte sie ihren Lebensabend. Sie starb im Alter von fast 83 Jahren im Oktober 2013.